Leseprobe

(Fragment)


"Die schweren Türen der Synagoge, der Schul, geschmiedet und mit eisernen Davidsternen beschlagen, standen weit offen. Aus der Tiefe strömte kühle Luft, legte sich über den gepflasterten Eingang, wo Tauben umherspazierten, sich auf ihren dünnen, roten Füßchen hin- und herwiegten und gurrten.

Am Lesepult stand der alte Jekill, der sein Amt als Schameß , als Synagogendiener, bereits seinem Sohn übergeben hatte. Sein mattes Gesicht war verrunzelt, eingefallen, vom Alter gezeichnet. Der weiße Bart, verknotet und verfilzt, wucherte bis zu den Schläfenlocken und Augenbrauen, als hätte jemand einen Knoblauchkranz um sein Gesicht gelegt.

Er blickte auf den roten Teppich, der zwischen Lesepult und Thoraschrein ausgebreitet lag, betrachtete die geputzten Hänge- und Wandleuchter, die blank gescheuerten Stellen, die frisch gestrichenen Wände, bemalt mit Hirschen, Musikinstrumenten und Inschriften aus dem Buch der Psalmen.

Der alte Schameß sah mit Wohlgefallen, dass Thoravorhang und -mantel gelüftet waren und sich im Gebetsraum der Synagoge kein Stäubchen fand. Er zog die Lippen ein und die Nase kraus, als müsse er gerade niesen, und sagte mit junger Stimme zu seinem Sohn:

"Gelobt sei sein Name, wann wird es wohl wieder eine solche Hochzeit geben - nur ein einziges Mal im Leben! Man erzählt, dass Schmuel Belasser, unser reicher, rechtschaffener Mann, bereits Abmachungen getroffen hat, sich mit einem anderen sehr reichen Mann, nämlich Eliohu Margolis aus Worms, zu verschwägern. Hör zu, was ich dir zu sagen habe, Berl!"



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